Digitalisierung

Nicht abhängen lassen

Anders als seine Kinder ist Friedbert Pflüger kein „Digital Native”. Aber er ist überzeugt: Deutschland muss die Digitalisierung schnellstens vorantreiben, „sonst verlieren wir unseren Wohlstand”.

2015 lernt Friedbert Pflüger einen der erfolgreichsten deutschen Internetunternehmer kennen: Ralph Dommermuth (1&1, United Internet, Ionos, Web.de). Nach einer Veranstaltung mit dem damaligen Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) und dem damaligen EU-Kommissar für Digitales, Günther Oettinger, ein langjähriger Freund von Pflüger, stehen die beiden zusammen. René Obermann, Ex-Chef der Deutschen Telekom und Europa-CEO von Warburg Pincus, kommt dazu. Die drei diskutieren und sind sich bald einig, dass die digitale Wirtschaft in Deutschland und Europa stärker werden muss, um nicht durch die rasanten und machtvollen Entwicklungen in den USA und Asien abgehängt zu werden. Darum geht es: eine Aufholjagd starten, die Digitalisierung vorantreiben, den amerikanischen Internetgiganten begegnen, die Interessen der deutschen Unternehmen definieren und ihnen eine Stimme geben.

Ein paar Wochen später treffen sich Ralph Dommermuth und Friedbert Pflüger in Berlin und vertiefen die Diskussion. Sie beschließen, die Agenda zum Leben zu erwecken, mit der Gründung einer gemeinsamen Stiftung. Sie soll sich den Bereichen Plattformökonomie, Wagniskapital für digitale Start-ups, digitale Infrastruktur, digitale Bildung und wirtschafts- und gesellschaftsfähiger Datenschutz widmen, mit Studien und Dialogveranstaltungen in die öffentliche Debatte hineinwirken. „Es ging Ralph Dommermuth und mir nicht um die Interessen einzelner Unternehmen, sondern um die deutsche und europäische Internetwirtschaft als Ganzes“, betont Pflüger. „Die Politik sollte einen heimischen Ansprechpartner bekommen, der die Sicht der deutschen und europäischen Digital- und Technikunternehmen formulieren kann. Denn diese weichen oft von den Interessen der US-Konzerne ab, die mit ihrem starken Lobbypersonal in Berlin und Brüssel präsent sind.“

Reisen in die USA, nach China, Indien und Korea

Kompetenz und sachliche Information von Politik und Entscheidungsträgern im Rahmen der definierten Themen sollen den Charakter der Stiftung bestimmen. Pflüger und Dommermuth sprechen verschiedene Internetunternehmer an und gründen im April 2016 die Internet Economy Foundation (IEF), mit einem kleinen Stiftungsrat, dem neben Dommermuth und Obermann auch der in Europa führende Venture-Capital-Unternehmer Klaus Hommels, Oliver Samwer (inzwischen ausgeschieden), der Mitgründer und CEO von Zalando, Robert Gentz, und später auch der Chef des Verwaltungsrates des Medienhauses Burda, Paul-Bernhard Kallen, angehören. Pflüger wird Vorsitzender des Vorstandes.

Die Digitalwirtschaft ist ein neues Feld für Pflüger, der so gar kein „Digital Native“ ist. „Als ich aufwuchs, gab es weder Computer noch Mobiltelefon, nicht einmal Faxgeräte. Wir hatten ein Telefon mit Wählscheibe und drei Fernsehprogramme. Das war‘s“, erinnert sich Pflüger. „Ich habe mir all das Wissen und meine persönlichen Digitalkompetenzen erst mühsam erarbeiten müssen.“ Das Laptop nutzt er bis heute vor allem als Schreibmaschine für Mails oder Artikel. Aber er ist überzeugt, dass die Digitalisierung für die Zukunftsfähigkeit des Landes und der EU von entscheidender Bedeutung ist. „Wenn unsere Strukturen mit den internationalen Entwicklungen nicht mithalten, wird mehr als nur unsere Internetwirtschaft abgehängt“, sagt Pflüger. „Wir verlieren unseren Wohlstand und unser politisches Gewicht in der Welt.“

Glasfaserneubau, Cloud-Lösungen und 5G

Bei seinen Reisen in die USA, nach China, Indien und Korea spürt er eine technik- und innovationsoffene Mentalität, während bei uns Ängste und Fragen nach negativen Technikfolgen vorherrschen. Pflüger: „Selbst innerhalb der EU sind uns die baltischen und skandinavischen Länder, aber auch Rumänien oder Frankreich in vielen Bereichen überlegen.“ Unzureichende Rahmensetzung und Förderung, ein überholter Mindset und nicht zuletzt der lahmende digitale Ausbau unserer Verwaltungen sind heute ein echter Wettbewerbsnachteil.

Pflüger holt den Amerikaner Clark Parsons als Geschäftsführer der Internet Economy Foundation. Parsons ist in der Internetwelt vernetzt und bekannt, während sich Pflüger erst Stück für Stück in die Themen einarbeitet: die Logiken der Plattformökonomie, der Schutz persönlicher Daten und das Teilen von anonymisierten Daten, Glasfaserausbau und 5G. Die Internet Economy Foundation begleitet aktiv die europäische Regulierung der Plattformmonopole, die Etablierung von europäischen Cloud-Lösungen, unterstützt die Bildung eines Start-up-Ökosystems durch Venture-Capital oder Mitarbeiterbeteiligung.

Unterstützung von Ralph Dommermuth

Pflüger empfindet diese Themen als „eine Art Jungbrunnen, in den ich gefallen bin“. Er lernt kluge Köpfe kennen, gerät in neue Netzwerke und bekommt in seinen Sechzigern noch einmal so etwas wie einen Mentor: Ralph Dommermuth. Pflüger bewundert dessen Lebensleistung, ein kleines Internetgeschäft an einer Straßenecke in Montabaur zu einem der größten Internetunternehmen Europas entwickelt zu haben. Er habe noch nie jemand getroffen, der so präzise, so fokussiert und so entschieden seine vorher klar definierten Ziele verfolge – und dabei so gelassen und fair bleibe. Und Pflüger zeigt sich beeindruckt, dass Dommermuth neben seinen Unternehmensinteressen die Entwicklung des digitalen Ökosystems im Ganzen im Auge hat und die Stiftungsarbeit entscheidend unterstützt. Er ist eine der großen Unternehmerpersönlichkeiten unserer Zeit.

Doch merken die Digitalunternehmer, die ihrer Zeit in vielfacher Weise voraus sind, dass ihnen eine Hilfe bei der Übersetzung ihrer unternehmerischen Initiativen für die Politik fehlt. Diese Übersetzung liefert Pflüger mit seinem Team. Die Internetwirtschaft wird neben der Energie- und Klimapolitik, der Außen- und Sicherheitspolitik, Menschenrechten und Demokratie die vierte Säule in Pflügers Agenda.

Friedbert Pflüger über Digitalisierung

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